Training

Wenn der Hund knurrt…

Dieser Artikel beinhaltet keine wissenschaftlich fundierten Kenntnisse, entspricht meiner Erfahrung, Meinung und Ansicht, außerdem enthält er eine Prise Ironie.

Man darf sich ja in erster Linie gleich mal viele blöde Sprüche anhören, sobald der Hund knurrt. Egal, aus welchem Grund sich der Hund zum Knurren genötigt fühlt.

„Was ist denn das für eine Bestie?“

„Die ist aber schlecht sozialisiert.“

„Ist der denn nicht erzogen?“

Ja, alle Sprüche zielen darauf ab, den Hundehalter zu maßregeln, sie verletzen und kränken ihn und lenken davon ab, dass der eigene Hund oder der Sprücheklopfer selbst einen Fehler gemacht haben. Der Besitzer des knurrenden Hundes wird gleich in die defensive Ecke gedrängt und sieht sich in Erklärungsnot.

Shiva knurrt einen Hund an, der ihren Individualabstand unterschreitet. Sobald er sich abwendet, ist es für sie erledigt. Er hat höflich auf ihr Signal reagiert und sie ist zufrieden und entspannt sich.

Wieso knurrt der Hund denn nun eigentlich?

Der Hund nutzt das Knurren zur Artikulation. Es hat nichts mit Aggression zu tun. Es ist einfach nur ein Laut, den er von sich gibt, um dem Gegenüber etwas mitzuteilen. Das kann ganz unterschiedliche Ursachen und Gründe haben. Der Hund kann ja schlecht sagen: „Du, das ist mir jetzt ein bisschen zu schnell. Könntest du mir etwas mehr Abstand lassen und nicht in mich reinbrettern?“ Also knurrt der Hund durchaus auch mal lauter und zeigt eine deutliche Abwehrhaltung.

Individualabstand

Jeder Hund hat seine eigene Wohlfühlzone. Bei manchen ist diese Zone sehr weit (umfasst quasi den gesamten Sichtbereich), bei anderen ist sie fast nicht existent. Diese Hunde fühlen sich im Gedränge wohl und wollen überall und mittendrin dabei sein. So unterschiedlich wie die Menschen sind, sind es die Hunde auf jeden Fall auch. Man kann den Abstand natürlich auch verändern. Bei Shiva konnte ich durch viel Training ihren Abstand von über 50m auf etwa 3-5 Meter reduzieren. Aber wird dieser Abstand unterschritten, wird sie zusehends nervös und beginnt auch zu Knurren. Ich versuche ihren Abstand einzuhalten und ihr andere Hunde vom Pelz zu halten. Einfach, weil ich weiß, dass sie damit nicht klar kommt.

Bei Menschen hat sich ihr Abstand auf etwa 2m reduziert. Ich konnte ihr genügend Sicherheit vermitteln, dass sie nicht aus heiterem Himmel geschlagen wird (leider durchaus schon passiert) und sie keine Angst haben muss, dass sie plötzlich gepackt wird (leider auch schon passiert). Wenn ich sie vor einer Konfrontation anspreche und auf mich konzentriere, gibt es keine Konflikte, bin ich außer Reichweite oder unaufmerksam, dann verteidigt sie ihren Individualabstand mit lautem Knurren und Bellen sowie schnellem Vorpreschen. Vor unserem Training, war dieses Vorpreschen das einzige Zeichen. Sie ist vorgeschnellt und hat geschnappt. Inzwischen warnt sie deutlich vorher und gibt dem Menschen Zeit auszuweichen.

Shiva wirft Kuddel einen Seitenblick zu, ob er auch brav ihren Abstand einhält. Er ist der höflichste Hund der Welt.

Begegnungen an der Leine

Unser Endgegner. Aber für viele andere auch. Der Hund kann nicht ausweichen, er ist teilweise eingeschränkt in der Kommunikation, aber fühlt sich auch mächtig stark, weil sein Mensch direkt hinter ihm steht. Kommt nun ein Offleine-Hund angebrettert, ist es immer ungerecht. Der angeleinte Hund ist immer der Dumme. Er kann weder gut ausweichen, noch so klar kommunizieren, wie er möchte. Bei Shiva beobachte ich regelmäßig, dass sie komplett überfordert ist. Sie klemmt den Schwanz ein, macht sich ganz klein, legt die Ohren an und knurrt wie ein Weltmeister. Habe ich die Möglichkeit, dann gehe ich einen anderen Weg, habe ich sie nicht, versuche ich den anderen Hund entweder zu verscheuchen oder das Anhängsel dazu zu bewegen, ihn anzuleinen.

Zugegeben… ich bin da auch etwas hilflos. Solche Begegnungen übe ich zwar auch, aber Shiva reagiert immer gleich panisch, weil sie mir halt auch schon zweimal an der Leine zerlegt wurde und einmal wurde ich dermaßen über den Haufen gerannt, dass es mir den Meniskus zerfetzt hat. Dementsprechend negativ sind Begegnungen bei uns beiden besetzt. Die wenigsten Hundehalter sehen aber ein, dass sie da keine Unterscheide macht und generell alle Hunde an der Leine blöd findet. Einfach, weil sie wenig schöne Erfahrungen damit hat. Viele bezeichnen dies als Leinenaggressiven Hund. Ich eher als unsicheren Hund, der klar sagt, was er von der Situation hält – nichts!

Malaika und Shiva haben wundervoll miteinander gespielt, sich kurz gezofft und gleich weiter gespielt.

Begegnungen ohne Leine

Hier ist es so, dass der Hund schön frei artikulieren kann und sie sich auch aus dem Weg gehen können. Aber es geht halt nun mal nicht immer und es klappt auch nicht immer. Wenn ich die Möglichkeit habe, führe ich Shiva angeleint mit großem Abstand vorbei und lasse sie hinterher wieder laufen. Sie guckt selten zurück und kommt damit gut klar. Leider hatten wir auch schon blöde Erlebnisse und daher… wer hätte es gedacht? Shiva knurrt.

Haben wir aber die Möglichkeit in Ruhe aufeinander zuzugehen und die Hunde checken sich vorher kurz ab, dann ist es kein Problem und sie spielt durchaus auch mit  dem Gegenüber. Wird das Spiel zu rau, gibt sie Bescheid. Schlägt es um, wird das auch kurz geklärt. Sie ist nicht nachtragend und sobald der andere sich wieder benimmt, ist sie durchaus für ein weiteres Spiel bereit. Sie liebt Rennspiele und wird bei Rempeln und Raufen schnell zickig. Da nehme ich sie dann aber auch raus, weil die meisten Rempler mehr Kilos auf die Waage bringen und mir das Skelett meines Windhündchens schädigen können.

Rocky wäre der perfekte Lehrmeister gewesen, leider war er bei ihrem Einzug bereits todkrank und starb zwei Wochen später.

Ressourcen verteidigen

Viele Hunde verteidigen die Ressource Spielzeug intensiv. Gegenüber Menschen, anderen Hunden, allem was so ankommt. Manchmal weiß man gar nicht, was der Hund eigentlich grade möchte. Will er zergeln, will er es verteidigen, will er, dass geworfen wird. Es wird geknurrt. Aber das ist oft auch nur die Spieläußerung. Also genau beobachten, ob die Lefzen hochgehen oder ein anderes Warnsignal eingebaut wird. Shiva zergelt leidenschaftlich und knurrt dabei. Aber bei ihr ist es die pure Begeisterung am Zergeln und Spielen.

Ihr eigenes Spielzeug wird gegenüber anderen Hunden verteidigt. Aber nur, wenn ich es geworfen habe. Wenn ich das Spielie einer Freundin gebe, da diese ihres vergessen hat und es ihrem Hund wirft, dann überlässt Shiva es der Freundin. Werfen wir beide etwas, dann holt jeder seins. Sie jagt keinem anderen Ball hinterher, er gehört ihr ja nicht, aber erwartet, dass der andere genau die gleiche Höflichkeit erweist. Tut er es nicht, wird durchaus auch mal gezwickt, wobei das eher ein symbolischer Knuff ist.

Moe und Shiva finden beide enge Kontakte blöd und so trugen beide ihren Maulkorb. Das Treffen lief harmonisch ab, da sich die beiden ihren Abstand gelassen haben und keiner den anderen bedrängte.

Knurren ernst nehmen

Es gibt noch unzählige andere Momente und Gelegenheiten bei denen der Hund knurrt, aber das wichtigste ist, das Knurren zu beachten. Der Hund möchte uns etwas dabei mitteilen. Er möchte ernstgenommen werden und wenn das Knurren nicht beachtet wird, dann sieht er sich womöglich genötigt, deutlicher zu werden, bis zum Einsatz der Zähne (aber dazwischen gibt es unzählige andere Signale, die er abspult).

Als Shiva zu mir kam, hat sie ohne vorher ein klitzekleines Zeichen zu geben, sofort angegriffen. Sie war 13 Wochen alt! Was kann ein Welpe erlebt haben, dass er sich zu solchen Signalen genötigt fühlt. Ich habe also mühselig das Knurren antrainiert und ihr gezeigt, dass ich sie ernst nehme. Sie war fast normal, als es mehrere Vorfälle gab und sie immer wieder ins alte Verhalten zurück fiel. Nach der (Not-)Kastration wurde es immer schlimmer.

Niemand zu sehen, also kann das Mädchen spielen. Wer erkennt den Strand?

Training und viel Geduld

Mit viel Training, Geduld und vielen Rückschlägen haben wir nun eine schöne Warntreppe aufgebaut. Wenn ihr etwas zu viel wird, knurrt sie. Wenn sie sich bedrängt fühlt, knurrt sie und hebt die Lefzen. Wird sie nicht beachtet, knurrt sie lauter, begleitet von einem Wuff. Wird sie weiter nicht beachtet, knurrt sie noch lauter, bellt dazu und zeigt erste Tendenzen mit Vorspringen und Zurückweichen. Erst wenn alle Signale abgespult wurden, sie weiter keine Beachtung findet und in eine Situation gedrängt wird, die sie nicht erträgt, dann beginnt sie zu schnappen. Erst in die Luft, später mit Verletzungsabsicht.

Um mit ihr zu üben, trägt Shiva einen niedlichen Mauli. Den ziehe ich ihr auch an, wenn ich gezwungen bin, mit ihr durch große Menschenmengen zu gehen oder sie doch mal Situationen ausgesetzt werden muss, die wir sonst gerne meiden. Er ist mein Sicherheitsnetz beim dreifachen Salto vom Trapez. Ich selber bin gelassener, da ja nichts passieren kann und folglich ist Shiva auch gelassener. Das einzige Manko. Sie mag ihren Mauli nicht. Ich muss ihn nochmal schön füttern, damit sie ihn besser toleriert.

Wenn sie freie Bahn hat und niemand uns zu nahe kommt, ist sie so ausgelassen und fröhlich.

Ich selber muss mutiger werden und auch mit ihr zusammen mehr Situationen aussitzen, damit wir beide wieder gelassener werden. Derzeit geh ich halt blöden Situationen aus dem Weg und versuche viel vorauszuahnen. Können wir uns nämlich darauf vorbereiten, passiert nichts, weil ich gelassen in die Situation gehe und Shiva meine Ruhe als Sicherheit interpretiert.

Flauschige Grüße

Sandra & Monsterchen Shiva

One Comment

  • Heidrun

    Ein wertvoller Erfahrungsbericht, aus dem sehr viel Verständnis und Einfühlungsvermögen spricht.
    Mit den (schlechten) Begegnungserfahrungen seid ihr nicht allein – auch wenn das nicht wirklich tröstet. Aber Shivas Verhalten lässt trotzdem eine positive Entwicklung erkennen und das ist offenbar einem unermüdlichen Training zu verdanken, das auch Rückschläge auffängt.
    Alles Gute auf eurem gemeinsamen Weg!

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